XXVIII. StuTS Münster

XXVIII. Studentische Tagung Sprachwissenschaft
29. November bis 03. Dezember 2000

Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Abstracts

 

Folgende AGs sind auf der 28. StuTS gehalten worden:

Vladimir Borissov
Humboldt-Universität Berlin
Arten der Kommunikation im literarischen Text
Die Kommunikation als Gegenstand der Liguistik kann nicht nur anhand geschprochener Sprache, sondern auch im schriftlichen Text analysiert werden. Diesem Standpunkt liegen die Theorie der Dialogizität und Dialogsphilosophie von Mikhail Bachtin und Martin Buber, die Intertextualitätstheorie von Julija Kristeva, sowie die Dialogforschung in der Sprachwissenschaft letzter Zeit (Edda Weigand, Svend Sager). So befasst sich dieses Vortrag mit dem Problem der interpersonellen Kommunikation im literarischen Text, die sich sowohl auf explizite Dialoge, als auch auf implizite Interaktionen im Text bezieht. Dabei treten der Autor, der Erzähler, der Leser und die Figuren als Subjekte kommunikativer Beziehungen auf. Im Vortrag werden die Mittel der sprachlichen Gestaltung von den kommunikativ-pragmatischen beziehungen zwischen diesen Subjekten diskutiert.



Holger Klatte, Max-Emanuel Schmid
Universität Bamberg
Inkorporation von Substantiven-Betrachtungwesien vom Standpunkt der Rechtschreibreform
Die Einführung der neuen Orthographieregeln im deutschen Sprachraum hat nicht nur inner-halb der Germanistik eine Diskussionswelle ausgelöst, sondern auch in weiten Teilen der Bevölkerung. Besonders in den Bereichen Getrennt- und Zusammenschreibung (GuZ) so-wie der Groß- und Kleinschreibung scheiden sich die Geister. Eine der Thesen wider die neuen Schreibungen geht dahin, daß die deutsche Orthographie nach der Reform teilweise auf den Stand vor 200 und mehr Jahren zurückgeworfen und Grammatikalisierungsprozesse kurzerhand rückgängig gemacht wurden. Stimmt dies, hat man versucht etwas zu neu regeln, was sich durch die Intuition der Sprecher bzw. Schreiber und durch die innere Entwicklung der Sprache seit jeher selbst geregelt hat. Der Beitrag untersucht diese Hypothese bezogen auf die GuZ. Das Referat setzt von einem diachronen und einem synchronen Standpunkt aus an. Diachron, indem es ältere deutsche Texte und Textkorpora auf die GuZ hin untersucht. Synchron, indem empirische Untersuchungen über problematische Inkorporationen ausgewertet werden, die einen hohen Lexikalisierungsgrad aufweisen (lebensversichern, bauchreden, hungerstreiken, strafversetzen, bausparen, bergsteigen etc.). Besonderes Augenmerk bei der gegenwartssprachlichen Untersuchung sind den Verben gewidmet, die durch Rückbildung oder Konversion aus Substantivkomposita entstanden sind (notlanden, kopfstehen, seiltanzen etc.), da hier die Rechtschreibrefom durchweg Getrenntschreibung vorsieht. Im einzelnen soll geklärt werden, wie sich die GuZ geschichtlich entwickelt hat, wie sich das Flexionsverhalten der Komposita ändert (kopfrechnen - (im) Kopf gerechnet) und wie die Inkorporation sich auf die Akzentverhältnisse des betreffenden Wortes auswirkt. Die Aussagen zu diesen Aspekten werden für die Gegenwartssprache auf der Grundlage eines Fragebogenkorpus getroffen. Das für das Referat herangezogene Material reicht sicherlich nicht aus, um über das gesamte Problem repräsentative Aussagen zu machen, trotzdem können von unserer Seite aus folgende Hypothesen aufgestellt werden:
1. Die Inkorporation von Verben ist kein Problem der gegenwärtigen Ortographiereformdiskussion, sondern kann bis in die ältesten Sprachstufen des Deutschen zurückverfolgt werden.
2. Substantiv-Verb-Verbindungen werden, historisch betrachtet, mit zunehmenden Lexikalisierungsgrad tendenziell eher zusammgeschrieben.
3. Sprecher des Deutschen in der Gegenwart können den Unterschied zwischen inkorporierten Objekten (weil er gerne Klavier spielt) und sog. Pseudokomposita (weil er gerne seiltanzt) erkennen.



Michael Förster, Daniel Händel
Ruhr-Universität Bochum
Verwaltungssprache und Textoptimierung
Seit März 2000 gibt es das Kooperationsprojekt "Verwaltungssprache und Textoptimierung" in Bochum. Dabei handelt es sich um eine Zusammenarbeit der Bochumer Stadtverwaltung mit der Arbeitseinheit "Angewandte Linguistik" des Germanistischen Instituts der Ruhr-Universität. Das Projekt steht unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Fluck und zielt darauf ab, den externen Schriftverkehr der beteiligten Bochumer "Pilotämter" - Rechtsamt, Sozialamt, Bauordnungsamt, Amt für Organisations- und Personalentwicklung - verständlicher und somit bürgerfreundlicher zu gestalten.
Im Anschluß an eine Analyse des zur Verfügung gestellten Textkorpus sollen Optimierungsvorschläge in Form von Mustertexten und allgemeinen Empfehlungen erfolgen.
Gemeinsam mit Daniel Händel möchte ich dieses Projekt näher vorstellen und mit den Teilnehmenden ins Gespräch kommen. Gerne würden wir auch einige wenige Optimierungsvorschläge zur Diskussion stellen.
Anmerkung: Weitere Informationen zum Projekt könnt Ihr auf der folgenden Homepage finden: http://www.ruhr-uni-bochum.de/vt/



Mohammed Sroub
WWU Münster
Zur Geschichte der masirischen (berberischen) Sprache.
Der Referent möchte einerseits einen geschichtlichen Überblick über das alte und heutige Sprachgebiet des Masirischen(Berberischen) vermitteln, anderseits wird auf die ältesten Inschriften des Masirischen (Berberischen) eingegangen. Den ältesten zweisprachigen Text (Phönizisch-Libysch/Berberisch) aus dem Jahr 139 v.Chr, werde ich präsentieren und besprechen. Der Referent möchte neben den diakronischen Aspekte des Masirischen auch einen Vergleich bestimter Sprachelemente zwischen den marokkanischen Variationen des Masirischen (TaschelHit, Tamazight, Tarifit) ziehen. Zum Schluss wird auf die neunen Sprachentwicklungen in Nordafrika allgemein und in Marokko besonders (Standardisierungsversuche und die Verschriftungen) eingegangen. Der Referent kann, soweit es möglich ist, auch auf besondere Interessen und Fragen der TeilnehmmerInen eingehen.



Walter Goez
WWU Münster
Die Münsteraner Masematte
[kein Abstract vorhanden]



René Schiering
Universität zu Köln
"Inne Disco sein" und "am Telefon gehen" - Präpositionalphrasen anne Ruhr
Das Ruhrdeutsche fällt besonders durch seinen vom Standarddeutschen abweichenden Kasusgebrauch auf. Sowohl auf Satzebene sie gibt das kleine Kind ein Kasten, als auch in kleineren syntaktischen Einheiten wie der Präpositionalphrase aufe Couch liegen, nachen Hausmeister gehen, am Obst gehen scheint die Kasuszuweisung „falsch“ zu sein; hier: Nom./Akk. statt Dat., Akk. statt Dat., Dat. statt Akk. (Mihm 1982).
Eine genauere Betrachtung der im Ruhrdeutschen verwendeten Formen lässt allerdings eher den Schluss zu, dass innerhalb der Präpositionalphrase nur eine Genusunterscheidung getroffen wird. Eine Unterscheidung zwischen Akkusativ und Dativ kann man nicht mehr nachweisen. Bei der Präposition in wird im Standarddeutschen durch die unterschiedliche Zuweisung von Dativ oder Akkusativ entweder eine Lage oder eine Richtung gekennzeichnet: Ich bin in der Disco vs. Ich gehe in die Disco. Die ruhrdeutschen Entsprechungen ich bin inne Disco und ich geh inne Disco benutzen für beide Kennzeichnungen die gleiche Präpositionalphrase. Die Präposition inne steht demnach als feminin markierte Form in einem Paradigma mit in'n (maskulin) und im (neutrum).
Diese Hypothese soll nach der Analyse eines Korpus des Ruhrdeutschen für die Präpositionen in und an überprüft werden. Datengrundlage ist hierbei die WDR Doku-Soap „Die Helden von Eisenheim“ (Per Schnell und Werner Kubny), sowie kurze narrative Texte von Ruhrdeutschsprechern.
Zur Einführung empfohlene Literatur:
Mihm, Arend, 1982. Zur Entstehung neuer Sprachvarietäten. Ruhrdeutscher Kasusgebrauch und seine Erklärung. Zeitschrift für germanistische Linguistik 10 (1982), S. 263 ff.



Dirk Buschbom (Universiteit van Amsterdam), Verena Mayer (Universität Konstanz)
Präsuppositionen
"[T]o some degree Justice Stewart's comment about pornography holds here: we all recognize it when we see it even if we can't say exactly what it is" bemerkt der amerikanische Philosoph Saul Kripke zum Thema Präsupposition. Welches Phänomen er damit meint, wird deutlich, wenn wir Sätze wie (1) betrachten:
(1) Der gegenwaertige König von Frankreich ist kahlköpfig.
Die mit der Äusserung von (1) verbundene Intuition ist klar: stillschweigend wird vorausgesetzt, dass es gegenwaertig einen König von Frankreich gibt. Ähnliche Intuitionen sind auch mit den folgenden Saetzen verbunden:
(2) Hans hat nur das GRÜNE Hemd gewaschen.
(3) Marie bedauert, ihre Eltern angelogen zu haben.
(2) setzt voraus, dass es neben dem grünen Hemd noch andere Hemden gibt, die hätten gewaschen werden können, während mit (3) die Tatsache verbunden ist, dass Marie ihre Eltern angelogen hat.
Versuche, dem intuitiven Begriff theoretische Schärfe zu geben, führten zu sowohl semantischen als auch pragmatischen Analysen. Logisch-semantische Theorien machen die Wahrheit/Falschheit eines Satzes wie (1) abhängig von der Wahrheit der präsupponierten Aussage 'Es gibt gegenwärtig einen König von Frankreich'.
Pragmatische Ansätze definieren den Begriff mit Bezug auf Sprecher/Hörereinstellungen und jeweiliges Weltwissen als Bedingungen des Gebrauchs von Äusserungen wie (1): Mache eine Äusserung, die eine Präsupposition beinhaltet nur dann, wenn die Präsupposition Teil des Wissens der Kommunikationspartner ist.
Trotz aller Bemhühungen ist es aber bisher nicht gelungen, eine theoretische Definition des Begriffs zu geben, der nicht auf Probleme stoßen würde.
Wir versuchen in der AG einen kurzen Überblick über das Phänomen zu geben und konzentieren uns dann zum einen auf das Verhältnis von Präsupposition und Negation und zum anderen auf die Frage, wie man die Präsuppositionen eines komplexen Ausdrucks aus den Präsuppositionen seiner Teile berechnen kann.



Martin Böhler
Universität zu Köln
Zeit im Narrativen Text im Aymara
Das Thema ist immer ein Knüller. Von Stephen Hawking über Michael Ende bis hinein in die Esoterikregale: sie ist allgegenwärtig. Jahrhundertelang haben Gelehrte über sie gegrübelt, Schrifsteller über sie phantasiert, Physiker ihre Gesetze aufzuspüren versucht. Wir reden täglich über sie, teilen sie ein, gewinnen sie, verlieren sie, sparen sie, vergeuden sie: was aber ist die Zeit eigentlich? Ihrer Ungreifbarkeit und ihrem spirituellem Charakter entsprechend bietet sich kaum ein anderes Thema, so scheint es, so sehr zum wilden Spekulieren an. Das ist auch und besonders in der Sprachwissenschaft nicht anders. Temporale Kategorien (oder das angebliche Fehlen derselben) sind willkommener Anlaß zu allerlei spitzfindigem Räsonnieren gewesen, die Konzeptualisierung von Zeit betreffend. Gewisse Ergebnisse solchen Räsonnierens haben sogar Eingang in die Welt populärwissenschaftlicher Publikationen gefunden, und halten sich dort hartnäckig, weil es halt (hach!) so exotisch ist: die Hopi, gell, die haben ja gar keine Vorstellung von Zeit, gell? Als hätten die Verfasser zu viel Peyote geraucht, sind solche Schlußfolgerungen dann einschlägigen Werken der New-Age-Ecke im Buchladen oder den neuesten Regenbogenerzeugnissen mit "Wissenschaft" im Titel zu entnehmen. Alles Humbug. Richtig ist aber: Sprachen unterscheiden sich mitunter erheblich darin, welche temporalen Unterscheidungen grammatikalisiert werden. Bestimmte temporale Entitäten sind dabei in allen Sprachen relevant, etwa der Sprechzeitpunkt als temporal-relationaler Fixpunkt. Andere Konzepte scheinen nicht in allen Sprachen Niederschlag in grammatischen Kategorien zu haben, beispielsweise das Verhältnis von Situationszeit und Referenzzeit, deren Anordnungen diejenigen Unterscheidungen liefern, die man gewöhnlich unter dem Aufkleber "Aspekt" zusammenfaßt. Ein besonders interessanter Fall ist das Aymara, eine südamerikanische Indianersprache, deren System temporaler Kategorien mit epistemisch-modalen Kategorien verwoben ist. Es gibt sogar Hinweise darauf, daß es sich primär um ein Modussystem handelt, dessen temporale Implikationen gleichsam Nebenprodukt sind. In dieser AG soll anhand theoretischer Überlegungen zur zeitlichen Organisation erzählender Texte Hinweise auf die temporalen Kategorien/Ausdrucksmittel des Aymara vorgestellt werden.



Sarah L. Bürsgens
Ludwig-Maximilians-Universität München
Die Theorie der AUTOSEGMENTALEN PHONOLOGIE
Nachdem jahrzehntelang in der Linguistik die Meinung vorherrschte, Lautkontinua seien durchwegs als lineare Segmente organisiert, revolutionierte John Goldsmith in den 1970ern diese Auffassung, indem er in seiner Theorie der Autosegmentalen Phonologie sogenannte Suprasegmentalia und deren phonologische Unabhängigkeit von der linear organisierten "klassischen" Segmentebene nachwies.
Die AG richtet sich vor allem an diejenigen Interessenten, die schon eine Einführung in die Phonologie besucht haben, mit der Theorie der Autosegmentalen Phonologie aber noch nicht vertraut sind.



Rudolf Fischer
WWU Münster
Plansprachen - Ziele und Strukturen im Vergleich
[Kein Abstract vorhanden.]



Angela Grimm
Universität Potsdam
Kinderspracherwerb und Optimalitätstheorie
[Kein Abstract vorhanden.]



Die folgende AG ist ausgefallen:

Daniel Händel
Ruhr-Universität Bochum
Wie werden "Studienanfangende" betreut? Erfahrungsaustausch
Das Thema ist, wie man leicht sieht, nicht-linguistisch; aber wenn ich das richtig verstanden habe, will die StuTS sich - zumindest am Rande - für so etwas öffnen. In der AG würde ich gern - sehr kurz - die "Starthilfe" der Bochumer Germanistik skizzieren und anhand dieses Ansatzes verschiedene Varianten diskutieren, wie (ob?) man "Studienanfangende" betreuen kann bzw. soll.
Modelle gibt es zuhauf; einen ersten Eindruck über Konzepte in Bochum vermittelt http://www.ruhr-uni-bochum.de/tutprogramm/. Einen sehr veralteten Eindruck vom Konzept der Bochum Germanistiktutorien (neben der Starthilfe existiert noch Germanistik inTeam) gibt http://www.ruhr-uni-bochum.de/tutgermanistik/.
Optimal wäre es, wenn die Teilnehmenden Konzepte anderer Unis kennen würden, am besten sogar am eigenen Leib erfahren haben, und ihre Kenntnisse und Erfahrungen in die Diskussion mit einfließen ließen.


 


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Zuletzt geändert: (janwo)